Freitag, 30. September 2011

Fiestas

Als einer unserer Gastbrüder Geburtstag hatte, machten Sabrina und ich Muffins. Nachdem unsere Gastmama beim letzten Mal nach dem Rezept fragte und wir nicht sagen wollten, dass es eine Backmischung war, dachten wir uns, dieses Mal Muffins nach deutschem Rezept zu backen. Blöderweise wurden die Muffins unten schwarz, während sie oben noch teigig waren. Das Ergebnis sah ziemlich unappetitlich aus, aber sie schmeckten, was Hauptsache ist. Wir machten uns darüber keine weiteren Gedanken und dachten, wir stellen unserem Gastbruder die Muffins einfach auf den Tisch und nehmen das Ganze mit Humor. Zu doof, dass einige Gäste da waren und alle die „typisch deutsche Nachspeise“, wie sie es nannten, probieren sollten. Die Gesichter sagten mehr als 1000 Worte und ich will mir lieber nicht vorstellen, was sich der ein oder andere dabei dachte.


Am vorletzten Donnerstag wurde in der Schule El Día de Estudiante gefeiert. Dieser Tag gehörte den Schülern und die Lehrer sangen, tanzten und spielten Spiele mit allen auf dem Pausenhof. Hier wird einfach alles gefeiert und für alles gibt es einen festen Feiertag. Wenn ich dann gefragt werde, wie wir so ein Tag feiern und ich antworte, dass es in Deutschland keinen Tag dafür gibt, werde ich immer verwundert angeschaut. Für eben solche Tage richten die Schüler ihre Klassenzimmer immer besonders her. Es wird kein Unterricht gehalten und alle sind am Putzen und dekorieren. Anschließend gingen Sabrina und ich mit der Direktorin durch alle Klassen, machten Fotos und bekamen Cola, Chips, Kuchen, Reis… angeboten.

Wie oft haben wir drei schon versucht Leute kennenzulernen und Freunde zu finden? Sehr oft, aber jedes Mal waren diejenigen entweder nur auf der Durchreise, sprachen deutsch oder waren einfach zu alt. Jetzt kennen wir seit ein paar Wochen ein paar Leute, die aus Peru kommen und in unserem Alter sind. Mit ihnen können wir feiern gehen und über sie neue Leute kennenlernen.

Dienstag, 20. September 2011

Ein Leben mit Zukunft?

Am vergangenen Wochenende fuhr ich mit Sabrina und Katharina in ein kleines Dorf, das per Bus zwei Stunden von Arequipa entfernt liegt. Dort besuchten wir, zusammen mit fünf weiteren Freiwilligen einer anderen Organisation, den Comedor. Anfangs spielten wir mit den Kindern auf der „Hauptstraße“, die nur aus Sand und Staub bestand und durch die zweimal am Tag ein Bus fährt.

   

Wir befanden uns auf 3900m Höhe, was ich deutlich spürte. Es war sehr kalt und ich hatte oft das Gefühl, sehr schwer Luft zu bekommen. Weit und breit war außer dem Dorf und den umliegenden Bergen nichts zu sehen und gleich neben den Häusern liefen viele Lamas frei herum, an die wir ziemlich nah herangehen konnten. Bis es Essen gab, hatten wir noch ein bisschen Zeit und nutzten diese, um zu einer Fläche zu gehen, die aus Salz bestand. Im Sommer befindet sich dort ein kleiner See, während dieser im Winter ausgetrocknet ist und das Salz zurückbleibt. In der Ferne konnten wir oft kleine Wirbelstürme sehen sowie Winde, die das Salz aufwirbelten.


Landschaft um das Dorf herum

Zurück im Comedor lernten wir mit den Kindern Englisch und aßen gemeinsam Kuchen, denn es wurde der Geburtstag der Kinder gefeiert (deshalb auch die bunten Nasen und die Masken).

aufgewirbeltes Salz

Bis jetzt konnte ich relativ gut mit der Armut von den Kindern hier umgehen, aber dort war ich etwas geschockt. Wir überlegten uns, was die Kinder wohl den ganzen Tag machten und was später aus ihnen werden wird. Ob sie ihr Leben lang in diesem Dorf bleiben, oder sie irgendwann in eine größere Stadt gehen werden. Außerdem fragten wir uns, von was die Leute dort lebten und wie viel sie von der Welt wissen.
Vor Peru sollten wir uns überlegen was Glück für uns ist. Nach langem Nachdenken, dachte ich mir, dass Glück für mich zum einen ist, überhaupt auf der Welt zu sein und leben zu können. Jetzt denke ich mir oft, dass dies nicht so ganz mit meinen Eindrücken hier zusammenpasst. Inzwischen ist für mich Glück eher, ein Leben mit Zukunft zu haben und würdig leben zu können.

Kinder auf der "Hauptstraße"
Ich finde es nicht fair, wenn sich Menschen überlegen müssen, was sie morgen zu essen haben, wie sie die Nacht verbringen, ohne zu erfrieren oder wie die Zukunft für sie aussieht und andere sich vor lauter Essen nicht entscheiden können oder sie sich den Kopf zerbrechen, ob sie zum Beispiel das Auto lieber in Rot oder Blau nehmen sollen
Kinder im Comedor
Es hat einfach sehr viel mit Glück zu tun, in eine Gesellschaft hineingeboren zu werden, der es „gut“ geht. Den ärmeren Menschen geht es ja nicht automatisch schlecht, aber für sie ist es viel schwieriger, gutbezahlte Arbeit zu finden und ihre Träume zu leben. Wie sollen sie aus solch einem Dorf herauskommen, wenn ihnen das Geld für die Busfahrt und Unterkunft fehlt? Wie soll ein talentierter Mensch in einem Dorf wie diesem entdeckt werden,  wenn dorthin kaum Menschen von außerhalb kommen? Mit Fragen wie diesen stieg ich in den Bus, der uns zurück nach Arequipa brachte. Ich hoffe so sehr, dass aus den Kindern etwas wird und sie ihre Träume verwirklichen können!

2 Monate

Als ich vor drei Jahren an einem Schüleraustausch nach Chile teilnahm, endete dieser schon nach zwei Monaten. Damals war ich froh, wieder nach Hause zu kommen, denn die Zeit dort kam mir ziemlich lang vor. Ich hatte oft Langeweile und war sehr stark von meiner Gastfamilie abhängig, weil ich nicht allein Bus fahren durfte und wenn mich niemand mit dem Auto wohin fahren konnte, saß ich daheim ohne Aufgaben herum.
Ankunft in Deutschland 2008

Jetzt bin ich schon seit zwei Monaten hier in Peru, wo vieles anders ist. Ich habe so viel Glück, bei einer so tollen Gastfamilie wohnen zu können. Ich bin unabhängig, habe im Gegensatz zu Chile mein eigenes Zimmer mit Bad und nie Langeweile. Morgens bis mittags bin ich in der Schule und unterrichte Englisch. Ich bin froh, dass die Kinder Geduld mit meinem Spanisch haben und mir helfen, wenn ich ein Wort nicht verstehe. Inzwischen kann ich die Farben und Zahlen auswendig und auch die Schüler wollen endlich etwas anderes lernen. Deshalb habe ich sie gestern eine kleine Englischarbeit schreiben lassen und habe mit englischen Redewendungen angefangen.
Nachmittags habe ich auch immer etwas zu tun, wie Wäsche (per Hand) waschen, aufräumen, einkaufen gehen, Unterricht vorbereiten, kochen… Dann gehe ich noch dreimal die Woche zum Salsa und treffe mich beinahe täglich mit Freunden. Zusammen gehen wir essen, ins Kino, in den Park, feiern… Ich bin so froh, dass ich hier meine Mädels hab und mich nie allein fühle! Mit den zwei kann ich jederzeit reden, feiern, reisen, neue Leute kennenlernen und und und!
Mir geht es sehr gut und bei der ganzen Ablenkung habe ich bis jetzt (zum Glück) auch noch kein Heimweh. Ich bin so froh, dass ich noch 10 Monate vor mir habe und nicht jetzt schon alles vorbei ist! Ich will hier noch so viel mehr vom Land sehen, in Chile meine damalige Gastfamilie besuchen, mehr Leute kennenlernen, Weihnachten im Sommer feiern, Meerschweinchen essen, fließend Spanisch sprechen, richtig Salsa tanzen können, den Schülern mehr Englisch beibringen, Silvester 7 Stunden später als in Deutschland feiern und noch ganz viel mehr!
In meinem Zimmer hängt eine Collage mit vielen Bildern von meinen Freunden aus Deutschland und im Supermarkt gibt es zum Beispiel Blaukraut, Schwartau Marmelade, Nutella und Sauerkraut zu kaufen. Diese Artikel und die Bilder in meinem Zimmer lassen mich sehr oft an Deutschland denken, aber dann sehe ich neben den deutschen Gläsern peruanische Sachen, die mich daran erinnern lassen, dass ich im Moment hier in Peru lebe.
Letzten Freitag fand der Geburtstag meiner Schule statt. Die Schüler tanzten typische Tänze zu peruanischer Musik. Alle waren typisch peruanisch gekleidet, es wurden Gedichte vorgetragen und gesungen. Am Tag davor gab es einen kleinen Laternenumzug. Anschließend war es die Aufgabe von Katharina, Sabrina und mir, die 10 schönsten Laternen auszuwählen, was nicht gerade einfach war.



 

Schüler mit ihren Laternen


Dienstag, 13. September 2011

Von der Schülerin zur Lehrerin

Kaum bin ich aus der Schule draußen, stehe ich selbst an der Tafel und unterrichte Englisch. Ohne Studium und praktische Erfahrung heißt es nun für mich, Schülern im Alter von 9-11 Jahren Englisch beizubringen. Hinzu kommt, dass ich alles auf Spanisch erklären muss und Wörter vom Spanischen ins Englische und andersrum übersetzen muss, was mich manchmal ganz schön nachdenken lässt.
Jetzt kann ich mich auch nicht mehr einfach in den Unterricht setzen und mich berieseln lassen. Ich muss den Unterricht vorbereiten, mir überlegen, was ich den Kindern beibringen will und wie ich das am besten anpacke.
Ich habe Glück, denn in meiner Schule besteht eine Klasse maximal aus 11 Schülern. So kann ich auf jeden Einzelnen eingehen und habe nicht so viele Hefte zu korrigieren ;-)
Außerdem freut es mich, dass die Schüler so scharf darauf sind, Englisch zu lernen. In der Pause fragen sie mich, ob ich ihnen Wörter oder Sätze ins Englische übersetzen kann. Einmal war ich in einer Klasse und als der Lehrer für ein paar Minuten weg musste, kamen ein paar Kinder auf mich zu und fragten, ob ich Englisch unterrichten könnte. Ich erklärte ihnen, dass der Lehrer gleich wieder kommen würde, aber sie wollten unbedingt, dass ich ihnen die Zahlen von 1-5 beibringe. Also schrieb ich die Zahlen in Spanisch, Englisch und in Lautschrift an die Tafel und als der Lehrer zurückkam, hatten alle meinen Tafelanschrieb in ihren Heften stehen.

Meine erste richtige Arbeitswoche…

… die ich erst einmal zu Hause verbrachte, da ich krank war.
Jetzt ist das zum Glück schon eine Weile her und ich konnte mit dem Englisch unterrichten beginnen.
Mein Arbeitstag beginnt um 6:40 Uhr, da ich um 8 Uhr in der Schule sein muss und dort hin eine halbe Stunde mit dem Combi brauche. Es gibt hier viele verschiedene Combis, die meistens einem VW Bus ähnlich sind. Um mitzufahren, stellt man sich einfach an den Straßenrand, gibt ein Handzeichen und steigt ein. Wenn man aussteigen will, ruft man „Baja!“, zahlt seine 70 Centimos, was umgerechnet gerade einmal ­­17,5 Cent sind und steigt aus.

Combis in La Mansión

Sobald ich das Schulgelände betrete, werde ich mit Küsschen und Umarmungen begrüßt. Da ich jetzt meinen eigenen Stundenplan habe, gehe ich in eine der zwei Klassen, die ich unterrichte. Ich unterrichte nur die vierte und fünfte/sechste Klasse. Zusätzlich zum Englisch Unterricht unterstütze ich die Lehrerinnen und den einzigen Lehrer, indem ich zum Beispiel einzelnen Schülern bei ihren Aufgaben helfe. Ich fühle mich so sehr wohl in meiner Schule! Die Lehrerinnen sagen mir täglich, dass sie wie eine Familie sind und ich mich bei Problemen immer an sie wenden kann. Außerdem freue ich mich, jeden Tag die Kinder zu sehen und mich mit ihnen zu unterhalten. Bei den Schülern habe ich das Gefühl, einfach Spanisch reden zu können, ohne nachdenken zu müssen und trotzdem verstanden zu werden.

Formation
Bevor der Unterricht beginnt, gibt es eine Formation, wo sich alle draußen auf dem Schulhof versammeln. Es werden Gedichte vorgetragen, Witze erzählt und Lieder gesungen bis nacheinander alle Schüler klassenweise in ihre Klassenzimmer gehen und mit dem Unterricht beginnen.


mein Stundenplan


Sonntag, 4. September 2011

Ich bin glücklich...

...weil ich bei einer super Familie wohne, in der ich mich so sehr wohl fühle! Wir kochen zusammen, gehen Essen, ich bekomme wichtige Ratschläge und werde rundum versorgt, wenn ich krank bin.
...weil hier jeden Tag die Sonne scheint und man deshalb einfach immer gute Laune hat.
...weil ich mich in meiner Schule so wohl fühle! Jeden Morgen werde ich von den Schülern mit Umarmung und Küsschen begrüßt und zum Teil gar nicht mehr losgelassen.

...weil ich dreimal die Woche zum Salsa gehe und es so viel Spaß macht, jedes Mal einen neuen Schritt dazu zu lernen.


...wenn aus meiner Dusche (lau)warmes Wasser kommt.
...wenn das Internet meiner Gastfamilie funktioniert.
...wenn ich Neuigkeiten aus Deutschland erfahre.
...wenn ich gut von einem Ort zum anderen komme und in ein sicheres Taxi gestiegen bin.
...wenn ich die Schüler auf dem Pausenhof tanzen üben sehe.
...wenn die Kinder im Comedor ihre Teller leer essen und danach selbstständig ihre Zähne putzen.
Was mich nachdenklich macht…
...sind die armen Menschen, die man auf den Gehwegen schlafen sieht.
...sind die Kinder/Jugendlichen, die Eis verkaufen oder während roten Ampeln Kunststücke auf der Straße vorführen.
...ist der Mann, der sich immer im kalten Fluss wäscht.
...ist, dass ich neben den tiefgefrorenen Pommes tiefgefrorene Schweinefüße finde.
...ist, dass das Fleisch ungekühlt und ohne Spuckschutz angeboten wird.
...ist, dass man immer sein Geld auf Falschgeld überprüfen sollte.

Ich bin glücklich, weil es für mich bis jetzt die richtige Entscheidung war, nach Perú zu gehen.